Takeoff | Mauretanien

Die Welt, wie wir sie kennen, macht, was sie am besten kann: viel Lärm um nichts. Unsere Welt ist so laut, dass sie uns beim einen Ohr hinein- und beim anderen wieder hinausgeht. Irgendwo dazwischen liegt die Stille. Sie wieder zu hören, ist keine leichte Übung. Sich einige Zeit auf den Rhythmus von Menschen einzulassen, die das Wesentliche noch vom Unwichtigen zu unterscheiden wissen. Zu lernen, dass die Welt sich weiterdreht, auch wenn der Handyakku leer ist und der Laptop den Geist aufgegeben hat.

Warum reisen in die Sahara? Um zu sehen, um zu begreifen, um mich zu verändern, um das Glück zu suchen, das kein Ort ist, sondern ein Gefühl, ein Zustand. Ein Ort zum Nachdenken und Querdenken, zum Innehalten und Träumen. Weil nur da Raum ist für neue Ideen und Gedanken, weil ich dort meine Wünsche, Ziele, Ängste und Sehnsüchte sortieren und meine Träume auf den Weg bringen kann. Auf dass sie eines Tages Realität werden. Es geht nicht um eine Faszination des Fremden, sondern darum, die Dinge, die ich kenne, neu erscheinen zu lassen und mir das, was ich nicht kenne, nahezubringen. Manchmal ist es etwas Winzigkleines, ganz, ganz Langsames, Flüsterleises, das mich berührt und verzaubert.

Es ist nicht der Hot Spot, sondern das Abseits, das meine Reiselust entfacht. Das Irgendwo im Nirgendwo, das sich hinter obskuren Namen auf Landkarten verbirgt. Es gibt nichts Spannenderes als Orte, wo Menschen wohnen, deren Neugier auf mich so groß ist wie meine Neugier auf sie. Wo ich mich unterhalten kann, ohne dass die Themen ausgehen – mit Händen, Füßen und einigen Brocken einer fremden Sprache. Es reicht, zu verstehen, wie sehr sich das Gegenüber für mich interessiert. Fremde sind Freunde, die ich nur noch nicht kenne.

Die Wüste gibt nicht, sie fordert. Sie macht geduldig und lehrt, genau hinzusehen. Ich entdecke tausend Nuancen im farblichen Einerlei aus Sand und Stein. Große Natur – kleiner Mensch: Es tut gut, sich dieses Verhältnis von Zeit zu Zeit vor Augen zu führen. Mit welch absonderlichen Fragen ich auch aufbreche in die Wüste, ich erhalte Antwort. Und es bleibt das Gefühl, mehr gefunden zu haben, als ich suchte.

Das am häufigsten benutzte Wort ist „Zeit“. Die jedem gegeben ist, mit der ich so allerlei anstellen kann: Ich kann sie haben oder behaupten, ich habe sie nicht. Ich kann sie verbringen, einteilen, verstreichen lassen, nutzen, totschlagen, verplempern. Ich kann sie jemandem schenken oder stehlen. Ich kann sie weder anhalten noch zurückdrehen. Aber ich kann sie mir nehmen. Für die Menschen, die ich liebe. Für Freunde, die mich brauchen. Für Reisen, die mir neue Horizonte öffnen. Für Bücher, Konzerte, Performances, Ausstellungen, die mich unterhalten, inspirieren, verzaubern, vielleicht auch verstören manchmal, und mir – im besten Falle – zeigen, wie großartig und bunt und aufregend die Welt ist.

Ein gutes Jahr wünscht Maria Rohner